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Zwischen Lachen und Tränen: Karin Sachers in den Ruhestand verabschiedet
Dankgottesdienst und Empfang mit großer Teilnahme der Bevölkerung

Die Lauterbacher Stadtkirche, 39 Jahre lang die zentrale Wirkungsstätte der Dekanatskirchenmusikerin Karin Sachers, war voll wie an Weihnachten. Die evangelische Kirchengemeinde hatte zum Dankgottesdienst und anschließend zum Empfang in den Saal des Hotels Johannesberg geladen, und dieser Einladung waren neben den offiziellen Gästen zahllose Bürgerinnen und Bürger gefolgt, die zum großen Teil eines gemeinsam hatten: ihr eigener musikalischer Werdegang und überhaupt ihr Leben und das ihrer Kinder war von Karin Sachers maßgeblich mit geprägt worden.

Bild: Elke Sachers-Saur

Sie hatte am 1. Juli 1970 ihren Dienst als Kantorin angetreten und war seit dem 1. Juli 1986 Dekanatskirchenmusikerin. Die Konzertreihe „Musik in der Stadtkirche“ und die „Lauterbacher Pfinsgtmusiktage“ wurden von ihr gegründet, geleitet und zum großen Erfolg geführt. Selbst wenn man Sachers Arbeit, vorwiegend die Chorarbeit, nur unter dem Aspekt der Jugendarbeit betrachten würde, könnte man sie nur als unbezahlbar einstufen. Künstlerisch war Karin Sachers niemals umstritten, in Lauterbach war man stets stolz, solch eine hochrangige und viel geachtete Kantorin zu haben. Spätestens bei ihrer Verabschiedung zeigte sich zudem, dass die manchmal auch impulsive und kämpferische Chorleiterin auch als Mensch äußerst beliebt und geachtet war. Zum Eintritt in den Ruhestand bereiteten ihr die Lauterbacher ein höchst emotional gestaltetes Fest, das seines gleichen sucht.
Freilich schwingt bei einer Verabschiedung auch Wehmut mit, dennoch hatte sich die Kirchengemeinde entschlossen, die Freude über das Geschenk der erlebten 39 Jahre in den Vordergrund zu stellen und einen Dankgottesdienst zu feiern. Wie konnte es anders sein, die Musik spielte in diesem Gottesdienst eine wesentliche Rolle.
So sang bereits zur Begrüßung der Lauterbacher Kinderchor, einer von sieben Chorformationen, die Sachers bis zu diesem Tag geleitet hatte. Pfarrer Stefan Klaffehn leitete die Liturgie und führte in seiner Predigt zum musikalischen Hauptteil hin, der Aufführung von Johann Sebastian Bachs Kantate BWV 29 „Wir danken dir, Gott, wir danken dir“. Diese wurde in hervorragender Qualität von der Kurpfalzphilharmonie, von Fritz Walther an der Orgel, von der Lauterbacher Kantorei und von den Laien-Vokalsolisten Sibylle Hartig (Sopran), Imke Graue (Alt), Kolja Baier (Tenor) und Ben Krug (Bass) interpretiert – also ausschließlich von Kräften, die seit langem mit Karin Sachers Musik machen. Besonders die Gesangssolisten stellten nochmals die Qualität von Sachers Chorarbeit heraus.
Zur Verabschiedung sprach Landeskirchenmusikdirektor Michael Graf Münster, der Sachers Leistungen auf besondere Weise würdigte. Aus seiner Perspektive, also durch sein Amt sowie den Blick von Frankfurt aus, sei Lauterbach in den letzten Jahrzehnten ein einzelnes, hell strahlendes Licht jenseits des Vulkans gewesen. Über die Zukunft mache er sich keine Sorgen, da mit Claudia Regel eine würdige Nachfolgerin gefunden worden sei.
Stefan Klaffehn entließ Karin Sachers anschließend offiziell aus ihrem Amt und sprach ihr den Segen zu. Die jetzt ehemalige Kantorin erhielt im Verlauf des Gottesdienstes mehrfach minutenlange, stehende Ovationen.
Das war aber freilich längst nicht alles, was sich musikalisch im Rahmen des Gottesdienstes tat. Die Jugendkantorei, die sich zuletzt schon mehrfach als besonders engagiert und leistungsstark gezeigt hatte, begeisterte mit dem vierstimmigen Satz „Sviatyi Bozhe“ von Lesia Vasilyevna Dychko (* 1939), was mit im Raum verteilten Stimmen besonders eindrucksvoll gelang. Zum Schluss gab es noch eine besondere Überraschung. Karin Sachers Tochter Veromnika Jezovsek, selbst Kirchenmusikerin und in Lauterbach aufgewachsen, hatte zahlreichen ehemaligen Chormitgliedern von Karin Sachers heimlich Noten zugemailt, so dass sich plötzlich ein unerwartet großer Chor erhob, um kraftvoll für die scheidende Chorleiterin zu singen.
In ähnlicher Weise, das heißt in gelöster und freudiger Stimmung, setzte sich das Geschehen danach im Hotel Johannesberg fort. Nachdem die Gäste sich gestärkt hatten, reihten sich viele Grußworte und Beiträge in kurzweiliger Art aneinander, um Karin Sachers zu ehren und zu verabschieden. Präses Annedore Radvan begrüßte für das evangelische Dekanat Vogelsberg die Gäste, würdigte nochmals Karin Sachers Lebensleistung und führte anschließend durch das Programm, das musikalisch vom Gitarrenensemble der städtischen Musikschule mit Sabine Keutzer-Striehl, Peter McAven und Rolf Jacob umrahmt wurde.

Annedore Radvan. Bild: mk


Das Gitarrenensemble der Musikschule mit (v.l.) Rolf Jacob, Sabine Keutzer-Striehl und Peter McAven. Bild: mk


Die Vorsitzende des Lauterbacher Kirchenvorstands Jutta Heß erinnerte an etwas, woran sich an diesem Tag viele erinnerten: wie sie als kleines Kind bereits in die Chöre von Karin Sachers eingetreten war. Neben Dank und Segenswünschen erhielt Karin Sachers vom Kirchenvorstand eine selbstgemachte „Sachers-Torte“ geschenkt, ein höchst kunstvolles Backwerk, das Chor, Orgel und Dirigentin um den Altar in der Stadtkirche darstellte.
Bürgermeister Vollmöller würdigte in seiner Rede vor allem die Lauterbacher Pfinsgtmusiktage als überregional bedeutsames Festival mit Wirkung in ganz Hessen und erfreulichen Auswirkungen auf die Stadt. Sachers Leistung sei ein Gewinn für den Gemeinsinn. Er zeichnete Karin Sachers mit der silbernen Ehrennadel der Stadt Lauterbach aus. Für die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Lauterbacher Pfingstmusiktage grüßte deren Vorsitzender Erwin Fauss. Dann bedankte sich die Jugendkantorei mit mehreren Liedern für die „schöne Zeit“. Die Gefühle schlugen hoch, Freude und Tränen mischten sich mehrfach an diesem Tag.
Für die Kantorei und das Vokalensemble sprach Gerhard Ziegel und gewährte in seiner gekonnten Rede heitere Einblicke in die Probenarbeit. Annedore Radvan verlas zudem ein Grußwort des Orgelbauers Dieter Voigt aus der Partnergemeinde Bad Liebenwerda, der sich speziell für den Kontakt schon zu DDR-Zeiten bedankte. Die langjährige Jugendfreundin von Karin Sachers, Dagmar Stuchlik, konnte einige neue Informationen beisteuern, denn sie kannte Karin Sachers bereits als 10-jährige. Dass sie damals Klavierunterricht hatte verwunderte keinen, aber dass sie eine gute Schwimmerin und Kanutin gewesen sei schon eher. Über Karin Sachers als Mensch stellte sie den Satz auf: „Man muss sie lieben, auch wenn man sie manchmal gar nicht leiden kann.“
Schließlich sang noch der Musikschulchor „Notlösung“ und Veronika Jezovsek brachte einen Chor mit ehemaligen Sängern auf die Bühne. Aber damit nicht genug: die frischgebackene Ruheständlerin begann ihren Ruhestand nicht nur damit, dass sie sich herzlich bei allen Gratulanten bedankte, sondern dass sie zum Ende der Feier mehrfach aus dem „Pool“ der Gäste neue Chöre gründete und sie aus dem Stehgreif zum Singen anleitete.
Ein Start in den Ruhestand, wie derjenige, der Karin Sachers kennt, wohl nur für typisch erachten kann.


Jugendchor


Dagmar Stuchlik


Landeskirchenmusikdirektor Michael Graf Münster


Da staunt die Kantorin: ein gebackerer Chor!


Wer kennt wen?


Typisch: Karin Sachers im Ruhestand - alle Bilder: mk