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Klarheit und Genauigkeit ermöglichten besonders plastischen Ausdruck
Lydia Gorstein gab einen umjubelten Klavierabend im Lauterbacher Hohhaus

Seit längerer Zeit stand bei den Lauterbacher Hohhaus-Konzerten einmal wieder ein reiner Klavierabend auf dem Programm. Mit der in Moskau geborenen und in Deutschland aufgewachsenen Lydia Gorstein stellte sich eine hochkarätige Künstlerin mit einem ausführlichen und sehr abwechslungsreichen Programm vor. Kompositionen von Bach, Beethoven, Rachmaninow, Chopin und Liszt lockten über 100 Zuhörer in den Rokokosaal.



Die Vita der Pianistin, die erst im vergangenen Jahr in Studium an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin abgeschlossen hat und bereits zahlreiche Preise und Stipendien gewonnen hat, gab zu höchsten Erwartungen Anlass – und diese Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Den Beginn machte Johann Sebastians Bachs Bearbeitung für Cembalo solo des Adagios aus dem d-moll-Konzert von Alessandro Marcello, ursprünglich ein wunderschönes Oboenkonzert. Dieses Werk, ebenso wie das "Italienische Konzert" in F-Dur BWV 971 (manchen vielleicht bekannt als die Erkennungsmelodie des Kulturradios des Mitteldeutschen Rundfunks) legte Gorstein auf eine Weise an, die nicht unbedingt als Hörerfreundlich zu bezeichnen ist. Sie scheute nicht den vollen Einsatz aller klanglichen Möglichkeiten des modernen Steinway-Flügels und legte den Schwerpunkt auf die Rhythmik und die vertrackten, ineinander verschränkten Motive. Das kam nicht bei allen Hörern gut an, war aber auf jeden Fall in sich stimmig und brillant dargeboten. Mit dem Rest ihres Programmes überzeugte Gorstein aber auch die Skeptiker vollends.
Das galt bereits für die Sonate Nr. 14 op. 27 von Ludwig van Beethoven (1770-1827), der sogenannten Mondscheinsonate. Gorstein gelang es mit technisch einwandfreiem Spiel ein selten zu hörendes Maß an Klarheit und Transparenz in das Werk zu legen. Jeder einzelne Ton wirkte dabei ausformuliert, und das bei durchaus straffer Interpretation und höchster Ausdrucksstärke. Gorstein ließ nicht die leiseste Undeutlichkeit zu, und erstaunlicher Weise nutzte dies auch dem sentimentalen Ausdruck immens.
Auf diese Weise begeisterte die mit großer Hingabe und Spielfreude agierende Pianistin auch im gesamten Rest des Programmes. Hervorgehoben werden sollen hier lediglich noch die drei Préludes von Sergej Rachmaninow (1873-1943), die um das Jahr 1903 entstanden, eine Meisterleistung in der Phrasierung. Einfachheit und Komplexität liegen bei diesen Stücken gleichsam im Wettstreit, ebenso aber auch Emphase und Berechnung. Genial, wie Gorstein manche Figuren lapidar an den Rand drängte, ohne dass diese jedoch an Genauigkeit einbüßten, andere mit Wucht ins Zentrum der Aufmerksamkeit schob. Hierbei, ebenso wie bei den Werken von Chopin und Liszt, hingen die Zuhörer gebannt am Spiel der Interpretin, die zum Ende nochmals virtuos auftrumpfte.
Lydia Gorstein erhielt für ihre Darbietungen zurecht stehende Ovationen und musste mehrere Zugaben geben, bei denen sie auch zeigte, dass sie nicht nur das konventionelle Konzertprogramm beherrscht. Ein feuriges tangoinspiriertes Stück Astor Piazollas stellte dies eindrucksvoll unter Beweis.