Das Akkordeon als klassisches Konzertinstrument erlebt
Ines Ringe beeindruckte das Publikum bei den Lauterbacher Pfingstmusiktagen
Eine Intention der Akkordeonistin Ines Ringe ist es nach eigenem Bekunden, ihr Instrument als klassisches Konzertinstrument zu etablieren. Daher wagt sich die Virtuosin an Werke die man auf dem Konzertakkordeon für kaum spielbar hält, auch wenn sie eine Spezialanfertigung besitzt. Dass das Akkordeon zu erstaunlichem Ausdruck fähig sein kann weiß man bereits von dem einen oder anderen Ausnahmespieler etwa im Bereich der Balkan-Musik oder des Klezmer. Aber Stücke vom Barock bis zur modernen E-Musik darzubieten war ein sehr ehrgeiziges Unterfangen.
Ehrgeizige Unterfangen sind anstrengend, und das war auch das Konzert der Ines Ringe im Rokokosaal des Hohhauses bei den Lauterbacher Pfingstmusiktagen. Anstrengend für die Interpretin, die ihr umfangreiches Programm auf dem rund 20 Kilo schweren Instrument hoch konzentriert bewerkstelligen musste, und auch anstrengend für das Publikum, da viele der modernen Werke sehr abstrakt sind und auch dem Zuhörer einiges abverlangen, will er sie mit Gewinn hören. Umso erstaunlicher, dass das Pubikum im fast voll besetzten Hohhaus hinterher nach Zugaben verlangte.
Das Konzert hatte mit zwei Werken aus dem Barock begonnen. Johann Jakob Froberger und Domenico Scarlatti hatten niemals den Ton eines Akkordeons vernommen, sondern an Streicher oder Cembalo gedacht, wenn sie ihre Suiten und Sonaten komponierten. Dennoch klang die barocke Musik seltsam einleuchtend im Klanggewand des Akkordeons. Ines Ringe hatte bei diesen Stücken noch ein klein wenig mit technischen Problemen zu kämpfen, die A-Dur-Sonate von Scarlatti ist aber auch so vertrackt, dass wirklich alles stimmen muss, damit man sie perfekt durchsteht.
Die vier Stücke aus Jacques Iberts „Historires“ aus dem Jahr 1920 erlaubten der Akkordeonistin dann zu brillieren. Die humorvollen und figurenreichen Kompositionen erfordern das, was Ines Ringe am besten kann: die Variation des Ausdrucks auf ihrem Instrument. Aus in etwa der selben Zeit stammen auch die Stücke von Leos Janácek (1854-1928), die er, durch slawische Volksmusik inspiriert, unter dem Titel “Auf verwachsenem Pfad“ zusammen gefasst hat. Für manche Zuhörer war dies der Höhepunkt des Konzertes, wunderschön verschränkten sich die melodischen Linien zu einem sinnlichen Ausdruck.
Doch auch die Moderne ist das Metier der Ines Ringe. Der dreistimmige Kanon im 5/4-Takt „Oasis“ von Louis Hardin alias „Moondog“ gelang ihr höchst virtuos, es wurde ein sehr spannendes Stück Musik mit intensiver Sogwirkung auf die Zuhörer. Die Thematisieruntg von Leid und Verzweiflung in der Komposition „De Profundis“ der russischen Komponistin Sofia Gubaidulina war dann schon reichlich heftig, die Verzweiflung muss in der Tat abgrundtief gewesen sein. Des Stück beginnt mit tiefem Zittern und Beben und steigert sich im Verlauf hin zu Schreien und hysterischem Gelächter. Höchst beeindruckend, wie Ines Ringe das alles hoch konzentriert umsetzte, und es traf viele der Zuhörer ins Herz.
Die zeitgenössischen Kompositionen der Finnen Petri Makkonen und Jukka Tiensuu sowie die „Romance“ von Franck Angelis erschienen hingegen weniger als kompositorische Höhepunkte. Sehr schön dann aber wieder die originelle Tango-Komposition von Astor Piazolla und der Tango von Igor Strawinsky, den die allezeit höchst inspiriert aufspielende Ines Ringe zur Zugabe gab.