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Jüdisches Privatleben in Beispielen aus Kestrich, Kirtorf und Ulrichstein
Erster Teil einer Vortragsreihe von Kathrin Jacob in der Kestricher Sanagoge

Der Bürgermeister von Feldatal, Ernst-Uwe Offhaus, und der Vorsitzende des Fördervereins für die Geschichte der Juden im Vogelsberg, Joachim Legatis, begrüßten in der ehemaligen Synagoge zu Kestrich ein zahlreiches Publikum, das sich zum ersten Teil einer Vortragsreihe auf den Stühlen und auf der Empore drängte. Offhaus verwies auf die Erfolge, das historische Gebäude mit Leben zu füllen und dankte dabei auch dem Verein historisches Feldatal für dessen Mitarbeit. Legatis ging darauf ein, dass der Fokus der Forschungsarbeiten, mit denen die Referentin betraut war, auf die Zeiten lebendigen Judentums im Vogelsberg gerichtet sei. Zudem solle durch diese Arbeiten und ihre Präsentationen gleichsam Fleisch auf das Gerippe der Fakten und Daten gebracht werden, die bereits durch zahlreiche Heimatforscher dankenswerter Weise erarbeitet wurden.
Ganz im Sinne dieser Grundgedanken hatte Kathrin Jacob ihren Vortrag "Rosinchen mit Mandeln – jüdisches Privatleben in Kestrich und im Vogelsberg" konzipiert. Ihr sei daran gelegen, das Leben der Juden in den Dörfern des Vogelsberges vorstellbar zu machen. Dazu eigne sich speziell die Erforschung des Neunzehnten Jahrhunderts, weil damals das jüdische Leben in seiner größten Bedeutung stand und zudem zahlreiche Aktenfunde vorlägen.
Jacob strukturierte ihren Vortrag nach den Lebensabschnitten, von der Wiege bis zur Bahre. Zur Wiege verwies auch bereits der Titel des Vortrags, denn "Rosinchen mit Mandeln" ist eine jüdisches Wiegenlied, in dem eine Mutter ihrem Kind vorhersagt, dass es, wenn es erst groß ist, mit eben jenen Waren handeln werde.
Entscheidende und spezifisch jüdische Ereignisse im Leben dieses Kindes sind dann, sofern es ein Junge ist, die Beschneidung, in jedem Fall aber die Namensgebung. Über diese Namen lieferte Jacob einen ausführlichen Exkurs. Bzgl. jüdischer Schulbildung, Lehrer und Gelehrte verwies Jacob auf einen der nächsten Vorträge.
Ausführlich ging die Referentin dann auf das jüdische Essen ein, das aufgrund religiöser Speisevorschriften, die Sabbatregeln und den jüdischen Festtagskreis einige Besonderheiten aufweist. Ein Rezept durfte dabei ebensowenig fehlen wie ein herumgereichtes jüdisches Kochbuch und die Beschreibung besonderer, technischer Vorkehrungen.
Auch das Heiraten ist ein Höhepunkt des Lebens, bei den Christen wie bei den Juden. Da es in einem Dorf aber häufig relaltiv wenige Juden gab und man weniger mobil war als heute, wurden viele Ehen quasi arrangiert – aber keinesfalls erzwungen.
Über die Mutterrolle und die Erwähnung der jüdischen Berufe (denen ebenfalls ein Vortrag gewidmet sein wird) gelangte Jacob schließlich zu den Begräbnisriten, wobei die Einrichtung jüdischer Friedhöfe und die jüdischen Totengräber eine Hauptrolle spielten.
In all diesen Details konnte Jacob Akten aus ihrer Recherche im Auftrag des Fördervereins in verschiedenen Gemeindearchiven sowie den Staatsarchiven in Darmstadt und Berlin angeben – und sie von der menschlichen Seite her bewerten.
Jacobs Vortrag, durch ausgewähltes Bildmaterial ergänzt, überraschte viele Zuhörer, die bei historischen Themen eher mit Bevölkerungszahlen und langen Namensreihen rechnen. Auf lebendige Weise gelang es Jacob, das Zusammenleben der Christen und der Juden in unseren Dörfern nachvollziehbar zu machen – ohne das Nachdenken über Vorurteile und Ausgrenzung zu versäumen.
Der nächste Vortrag dieser Reihe mit der Berufsstruktur der Landjuden als Thema wird am 9. April um 19 Uhr wieder in der Kestricher Synagoge stattfinden. Mehr Informationen gibt es unter 06641-640666.

Martin Krauss


Kathrin Jacob machte in ihrem Vortrag jüdisches Leben anschaulich.


Ernst-Uwe Offhaus und Joachim Legatis begrüßten als Veranstalter die Gäste.


Michael Ruhl, Architekt der Restaurierung der Synagoge, traute sich auf die Empore.