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Sopranistin mit bestechender Artikulation und immensem Ausdruck
Antonia Bourvé und Trung Sam sangen Lieder von Schumann und Wolf im Lauterbacher Hohhaus

Antonia Bourvé konnten einem fast leid tun. Da hatte sich das Ensemble „Bourvé, Gädker, Sam“, Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs und Stipendiaten aus der 52. „Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler“, zum Liederabend im Hohhaus angesagt, und dann war der Bariton Georg Gädker kurzfristig erkrankt. Nun musste also Antonia Bourvé den gesamten Gesangspart des umfangreichen Konzertes alleine bestreiten. Ganz abgesehen von dem künstlerischen Anspruch ist das Singen auf diesem Niveau eine erhebliche körperliche Anstrengung, die es fast zwei Stunden lang durchzustehen galt. Das war aber scheinbar kein Problem für die Sopranistin mit beachtlichem Stehvermögen.
Die Sparte Kunstlied ist auch unter Freunden der Kammermusik eher etwas für Spezialisten, daher war der Rokokosaal im Hohhaus auch nicht ausverkauft. Dennoch war es erfreulich, wie viele Zuhörer trotz miesen Wetters ihre Offenheit und Ihr Interesse bekundeten. Sie mussten es nicht bereuen.



Antonia Bourvé und der Pianist Trung Sam mussten freilich das Programm umstellen. Anstatt den gesamten Liederzyklus von Hugo Wolf (1860-1903) „Italienisches Liederbuch“ aufzuführen, brachten sie nun im ersten Konzertteil Lieder von Robert und Clara Schumann und nach der Pause die Lieder für Frauenstimme aus Wolfs Sammlung.
Als Antonia Bourvé mit „Kennst du das Land wo die Zitronen blühern“ begann konnte man zunächst befürchten, dass ihre Stimme doch zu groß sei für den kleinen Saal. Offenbar merkte sie das aber selbst und stellte sich sehr schnell auf die Gegebenheiten ein. Man kann diese Kunstlieder durchaus höchst unterschiedlich anlegen: stimmlich stark zurückgenommen mit dem Schwerpunkt auf den literarischen Ausdruck, oder mit dem Hauptaugenmerk auf die musikalische Umsetzung. Bourvé hatte sich offenkundig für den zweiten Aspekt entschieden, was bei ihren sehr hohen stimmlichne Qualitäten auch angemessen schien. Dass dennoch auch von der sprachlich-literarischen Komponente der Lieder nichts verloren ging, lag in erster Linie an ihrer herausragenden Artikulation. Da wurde nichts verwischt oder verschleppt, wer darauf achtete, konnte feststellen, dass auch nicht ein Konsonant verloren ging, und das bei der durchaus schwierigen Melodieführun der Lieder.
Auch das sehr breite Ausdrucksspektrum wurde von der Sopranistin makellos umgesetzt. Da kam so ziemlich alles vor, was man sich vorstellen kann: Schwärmerei, Träumerei, Ulk, Trauer, Zorn, Verspieltheit, Koketterie und Ironie – stets vermochte Bourvé den Inhalt stimmlich überzeuend in Szene zu setzen.
Fast noch schöner gelang dies nach der Pause mit den „Italienischen“ Liedern von Hugo Wolf, die deutsche Texte haben. Wolf hatte sicher seinen Spaß an diesen Kompositionen zu den Texten von Paul Heyse, die größtenteils literarische Miniaturen darstellen und von daher formal hochmodern und aktuell wirken, wenn sie auch szenen aus einer heute vergangenen Zeit darstellen. Sie bestehen manchmal nur aus einem Satz, der aber eine Gemütsbewegung (wie z.B. Empörung) treffend markieren, entsprechend sind auch die Kompositionen kurz und ausdrucksstark. Für die Sopranistin hieß das, permanent den Ausdruck zu wechseln und sich immer neu einzufühlen, ihre Stimme mal jauchzen zu lassen, dann schwelgen, dann witzeln und so fort. Auch die Zuhörer hatten viel zu lachen bei diesen Liedern, die wunderbar eindringlich interpretiert wurden.
Maßgeblichen Anteil hatte auch der exquisite Trung Sam am Klavier, der teilweise vor den gleichen Herausforderungen stand: hier großen Effekt zu machen, da sanft zu umschmeicheln. Trotz seiner überaus präzisen und der Sängerin andienenden Spielweise wirkten seine Interpretationen charaktervoll und markant. Überzeugend auch sein kompetenter Umgang mit dem Pedal sowie die gelassene Virtuosität.
Anscheinend hatten Antonia Bourvé und Trung Sam der Sparte Kunstlied mit diesem Abend neue Freunde hinzugewonnen. Der Applaus war kräftig und anhaltend, die Begeisterung hoch, und es musste noch „Der genügsame Liebhaber“ von Arnold Schönberg zur Zugabe gegeben werden.