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Im Spannungsfeld von Mathematik und Gefühl
Alte Musik mit dem Duo Künkel/Schmidt beim Hohhaus-Konzert

Musik für Cemabalo solo aus der Renaissance gilt oft als langweilig, monoton, fast maschinenmässig, und das nicht ohne Grund. Wegen der sehr geringen Möglichkeiten des Instrumentes zur dynamischen Gestaltung und wegen der Art der Kompositionen, die (als Parade-Beispiel) bei denen von François Couperin le Grand (1668-1733) durch vertrackte Rhythmen und gleichsam mathematisch-komplexen Aufbau geprägt sind, scheinen diese Werke frei zu sein von Höhepunkten, dramaturgischem Aufbau und der Möglichkeit, damit Gefühle zu vermitteln. Oft werden sie auch von den Interpreten so verstanden und wie eine Denksportaufgabe angelegt.
Mareile Schmidt, mehrfach ausgezeichnete Orgel-, Cembalo- und Klavierspielerin, die in der „Bundesauswahl Konzerte junger Künstler“ auftrat, verfolgte erfeulicher Weise einen anderen Ansatz. Mit Werken von Johann Caspar Kerll (1627-93), Joh. Seb. Bach (1685-1750), Dietrich Buxtehude (1637-1707) und Giorlamo Frescobaldi (1583-1643) hauchte sie dieser Musik mit ihrer feinen Spieltechnik gleichsam Leben ein. Da die dynamischen Möglichkeiten in der Tat sehr begrenzt sind, kam es bei ihren Solostücken zuvorderst auf die Pharsierung, die Tempogestaltung und die Pointierung an. Und siehe da, die Variationen des Kuckucksmotivs von Kerll, die ruhige, fast nachdenkliche und vom Respekt geprägte Interpretation von Bachs Fantasie, Buxtehudess aufgewühltes Stück aus klar voneinander abgesetzten, musikalischen Gedanken in komplexer Rhythmik und Frescobaldis sehr harmonische, verspielte „Toccata decima“ wurden plötzlich zu emotional bewegender Musik voller Tiefe.


Alte Musik war das Thema des Hohhaus-Konzertes mit dem Preisträger-Duo Mareile Schmidt (Cembalo) und Christian Künkel (Renaissance-Posaunen). Kompositionen aus einer Zeit, als es noch nicht einmal den Rokokosaal gab, in dem sie gegeben wurden. Erstaunlicher Weise war jener fast ausverkauft. Das Publikum erhielt von beiden Künstlern informative Einweisungen in die Werke und in die Instrumente, und wurde musikalisch in eine hochinteressante Zeit entführt, mit Musik, die damals hauptsächlich eine Angelegenheit des Adels war.
Christian Künkel, der Tenor- und Altposaunen in historischer Bauart spielte, die freilich gedämpfter und weniger prächtig, aber sonor und rein klangen, überzeugte durch kultivierte Technik und hohe Virtuosität. Bei Frescobaldis „Canconi“ stand sein bewegliches Spiel, das von der Klangfärbung nahe der menschlichen Stimme steht, im Kontrast zu den strahlenden Akkorden des Cembalos. Die Musik stand auch hier im Spannungsfeld von Mathematik und Gefühl, oder auch im Gegensatz zwischen Feierlichkeit und Melancholie: getragen in der Grundstimmung, aber lebhaft durch zahlreiche melodische Verzierungen. Das perfekte Zusammenspiel beider Künstler konnte das Publikum begeistern.
Eindrucksvoll und virtuos kam auch das zusätzlich ins Programm genommene, viersätzige Concerto von Georg Philipp Telemann (1681-1767) daher. Besonders reich an einprägsamer Melodik sind die Werke des italienischen Meisters Benedetto Marcello (1686-1739), während das Blasinstrument beim Concerto für Altposaune von Georg Christoph Wagenseil (1715-77) phasenweise geradezu modern klang.
Ein abwechslungsreiches Konzert, das geeignet war, der Alten Musik neue Freunde zu gewinnen, mit zwei sympathischen und ausgezeichneten Künstlern, die sich ihren anhaltenden Abschlussapplaus redlich verdient hatten.