Melancholie und unbändige Lebensfreude
Großartiges Konzertereignis in der Lauterbacher „Kulturstation“ - „Estrelas do Fogo“ begeisterte großes Publikum
von Gerhard Otterbein
Wer die Augen schloss und gleichzeitig über die nötige Portion Fantasie verfügte, für den waren sie zum Greifen nah - die kapverdischen Inseln im Atlantik, gelegen 460 Kilometer vor der Westküste Afrikas. Einziger Unterschied: Die gefühlte Inselwelt voller Musik, Melancholie, Sehnsüchte und überschäumender Lebensfreude mit ihrer freundlichen Bevölkerung lag für ein paar Stunden am Lauterbacher Südbahnhof. Das musikalische Projekt, „Estrelas do Fogo - Musik von den Feuerinseln“, des Staufenbergers Markus Leukel gastierte im Rahmen des Kultursommers Mittelhessen in der voll besetzten „Kulturstation“. Hinter dem Begriff „Estrelas do Fogo“ verbergen sich drei weitere deutsche Musiker: Daniela Werner (Akkordeon und Querflöte), Peter Herrmann (Bass) und Gerd Stein (Gitarre) sowie der aufgehende Star der „Cabo Verde“, Michèl Montrond. Seine Kompositionen und seine außergewöhnliche Stimme waren es, die zum größten Teil den Abend füllten, besser gesagt bereicherten. Der Sänger und Komponist der jungen Generation des Inselstaates begeisterte.
Traditionelle Klänge von der Insel Fogo steuerten Valdomiro Dias und seine Coladeiras bei. Sie lösten ein wahres Trommelfeuer in der „Kulturstation“ aus. Die starken afrikanischen Einflüsse der Rhythmen waren selbst für europäische Ohren sofort erkennbar. Die Musikrichtung ist aus den „Festas da Bandeira“, der religiösen wie weltlichen Festwoche, nicht wegzudenken. Der Anblick der singenden Frauen in ihrer farbenfrohen Kleidung ließ Rückschlüsse auf die kapverdische Kultur und Musik zu, die geprägt von verschiedenen Völkern und Kulturen ist. Markus Leukel erklärte Musik und Zusammenhänge. Als Kenner und Förderer der Inselmusiker durfte er „Cheftrommler“ Valdomiro Dias auf einer Blechtrommel begleiten. Der Übersetzer und Freund der sympathischen Musiker symbolisierte so den afrikanischen und europäischen Herzschlag und Gleichklang.
Michèl Montrond und seine Musik stammen ebenso von der Vulkaninsel Fogo. Jedoch führte sein Repertoire den Zuhörer auch auf die anderen Eilande der Republik Kap Verde. Dadurch entstand eine Art musikalisches Inselspringen. „Sodade“, das kapverdische Lebensgefühl, welches Melancholie mit überschäumender Lebensfreude verbindet, vereint die Inseln wieder. Ferner mischten sich brasilianische Klänge darunter. Bei dem Stück Kolibri war deutlich hörbar, dass die deutschen Musiker den „Sodade“ ebenso verinnerlicht hatten. Gerd Stein zauberte Klänge mit der Akustikgitarre. Ein Solopart auf der E-Gitarre erinnerte stark an die lebende Legende Carlos Santana. Das virtuose Akkordeonspiel von Daniela Werner untermauerte die Samtstimme von Michèl Montrond, wodurch seine portugiesisch gesungenen Worte eigentlich keine Erläuterung benötigten, um Gemütsbewegungen zu transportieren und transparent zu machen. Die abrundende „Betonung“, im wahrsten Sinne des Wortes, lieferte Peter Herrmanns Bass und Markus Leukels Schlagzeug.
Bei einem Aufenthalt auf Fogo hatte Markus Leukel Michèl Montrond und Valdomiro Dias kennengelernt. Es war der Herzenswunsch von Dias, vor deutschem Publikum auftreten zu dürfen, was er in seiner Rede verdeutlichte. Leukel hatte es mittels eines Sponsors ermöglicht. Der Auftritt blieb nicht ohne Nebenwirkung. Einige Besucher verließen das Konzert mit dem Gedanken, dass sie Land und Leute kennenlernen möchten.
Bilder: Krauss