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Raduga, Ubuntu, Jazz hat´s: Vielfalt im Südbahnhof
Dreigleisiger Saisonstart mit viel Applaus für regionale A-cappella-Klänge
von Gerhard Otterbein
Dreigleisig in eine Veranstaltungssaison zu starten, dabei Vielfalt zu säen und multikulturelle Musik zu ernten, das gelang den Verantwortlichen des Lauterbacher Kulturvereins. Unterschiedlicher hätten der Gesang und die Akteure auf den hölzernen Brettern der Kulturstation nicht sein können.Auf dem Podest des künstlerischen Geschehens öffneten sich musikalisch die Weiten Russlands, das pulsierende Leben Südafrikas und die Musikclubs der westlichen Welt - alles konnte der Zuhörer an einem Abend in der ehemaligen Frachthalle am Lauterbacher Südbahnhof genießen.Drei regionale Chöre - Raduga, Ubuntu, Jazz hats - gaben ein 90-minütiges Konzert. Kulturbegeisterung machte sich breit. Der vielsprachige Gesang drang trotz der Sprachunterschiede in alle Herzen. Die Chorleiter gaben Auskunft über textliche Inhalte. "Raduga" (Regenbogen) - die Chormitglieder mit deutschen Wurzeln stammen alle aus der ehemaligen Sowjetunion - bestritt den Anfang und erntete gleich beim ersten Lied Bravorufe. Das Erscheinungsbild spiegelte deutlich den Chornamen wider. Die Frauen hatten Chrysanthemen, jede andersfarbig, an ihren Blusen befestigt, und die Männer trugen jeder einen andersfarbigen Schlips. Mit Ubuntu betraten auch die Landesfarben Südafrikas - Rot, Grün, Gelb, Blau und Schwarz- die Gesangsplattform. Jazz hat´s kam gewohnt elegant, aber diesmal ohne Kopfbedeckung auf die Bühne. Englische Hits und ein schwedisches Kinderlied sang die Formation, die im Südbahnhof quasi ein Heimspiel bestritt. Für Timo Döring, der Neue bei Jazz hat`s und bekannt durch die Theatergruppe an der Vogelsbergschule, war der Auftritt eine Feuertaufe. Er bestand mit Bravour. Der Schlussakkord (I can see clearly now / Johnny Nash) war geprägt von der gern gehörten und markanten Stimme Stefan Pussels. "Das russische Volkslied verbindet gerne die Liebe mit der Natur", erklärte Chorleiterin Viktoria Lanz-Winter. Was der Zuhörer auch ohne Sprachkenntnisse feststellen konnte, die Lieder verströmten viel Melancholie und gleichzeitig Freude, aber in erster Linie eine große Portion Seelenwärme. Kein Wunder, denn der Eindruck entstand, dass der Gesang direkt aus den Herzen der Chormitglieder kam. Es verschmolzen deutsche Wurzeln und russische Kindheitserinnerungen zu einer Einheit. Rasch wurde klar, warum der alles umspannende Regenbogen zum Symbol und Namensgeber wurde. Der farbige Halbkreis war an diesem Abend in erster Linie Sympathieträger durch Gesangskunst. Des Weiteren erzeugte Raduga Gänsehaut und das Gefühl, dass man auch als Deutscher, der in Deutschland geboren wurde, Splitter einer russischen Seele in sich tragen kann.Der Regenbogen passt auch zu dem Land, das unterschiedlicher nicht sein kann und von Ubuntu repräsentiert wurde. Zwei Herzen eine Seele, weiße Haut und schwarzer Gesang - das verkörperten 24 Sängerinnen und Sänger aus Fulda. Die Texte, vorgetragen in der Sprache der Zulu, handelten vom Freiheitskampf, aber hatten ebenso religiöse Inhalte. Neben dem Gesang spielte die Bewegung eine Rolle - ohne Tanz geht nichts in Südafrika. Corleiter Willi Petermann erklärte den Hang zur fremden Gesangskultur. Als Dankeschön für diese wunderschöne Musik unterstützen Ubuntu einige Hilfsprojekte. "So können wir etwas zurückgeben", sagte er. Aus traditionellen Zulu- Klängen war auch die Zugabe "Moja", die nur aus zwei Silben bestand, und die das Publikum mitsingen durfte. Der gesangliche Auszug aus dem ehemaligen Bahnhof war einer der Höhepunkte des Abends.
Jazz hat´s begeisterte unter anderem mit musikalischen Schwedenhappen. Keiner kann so schön der Pippi Langstrumpf und allen anderen starken Frauen Tribut zollen, da war sich das Publikum einig. "Lieder vom Leben und der Liebe", versprach Sänger Norbert Ludwig, was bei dem Titel "The Rose" deutlich wurde, aber mit "Somewhere" seinen Gefühlshöhepunkt erreichte. Als Kontrast trommelte Sabine Dietrich den Rhythmus zur James- Bond-Erkennungsmelodie. Gleichzeitig servierte der Chor einen Happen des neuen musikalischen Projekts: Was nachts so passiert. Ob neu oder alt: Jazz hat´s ist a-capella vom Feinsten.Der Kulturverein Lauterbach erbrachte wieder einen Beweis, dass nicht alles so sein muss, wie manche glauben. Die Welt und ihre Menschen dürfen sich durchaus verdreht präsentieren. Es ist völlig normal: wenn weiße Menschen Lieder von schwarzen Menschen singen, wenn russische und deutsche Volksweisen aus allen Teilen der Sowjetunion aus einem Mund kommen und wenn Vogelsberger Ge-sangskünstler in englischer und schwedischer Sprache vor ihr Publikum treten und singen.
Bilder: Krauss
Brigitte Folke eröffnet die Saison in der Kulturstation Südbahnhof
Gerhard Otterbein bei der Arbeit.