Freitag, 26.8.2011 - Kulturstation Südbahnhof - Konzert "Wo der Pfeffer wächst"
„Gewürzmischung“ für die Ohren im Südbahnhof - Publikum erfuhr, wo der Pfeffer wächst
Dass Safran den Kuchen gehl macht, weiß jedes Kind. Dass Vanille und Zimt den Speisen eine besondere Note verleihen, ebenso. Dass es aber Gewürze für die Ohren gibt, dies war eine neue Erfahrung für das Lauterbacher Publikum in der Kulturstation am Südbahnhof. „Wo der Pfeffer wächst…“ lautete der Titel des außergewöhnlichen Konzerts, welches zum Sommerprogramm des Lauterbacher Kulturvereins zählte. Viel Beifall, Gewitter aus der Ferne und zwei Zugaben beendeten ein außerordentliches Konzert.
Die Frage - wie kommt eine musikalische Gewürzmischung zustande - stand noch zu Beginn im Raum. Das Rezept: Man nehme eine Harfenistin (Cordula Poos), einen Percussionisten (Markus Reich) und einen Tenor (Thomas Stückemann), dann verfügt man über das Salz in der Suppe und die Basis für ein höraromatisches Abenteuer. Zu den musiktechnischen Möglichkeiten gibt man noch eine Prise Erzählkunst hinzu. Besonders eignen sich Texte der chilenischen Schriftstellerin Isabel Allende mit dem Leitgedanken Aphrodisiaka sowie ein Hauch Lyrik von Christian Morgenstern.
Der „Muskat“ durfte dann den musikalischen Anfang machen. Safran und Zimt folgten. Nach der Pause lautete die Mixtur Vanille und Brown Sugar. Hernach erhielt sogar die gewagte These - Gewürze und Frauen müssen mit den Fingern gerieben werden, damit sie ihr volles Aroma entfalten- einen Sinn.
Was sich für Ferngebliebene wie ein Spaziergang durch das Gewürzregal liest, zerging den Zuhörern auf der Zunge. Auch Evergreens - welche nicht zu den Gewürzen zählen - wie „Oh, Donna Clara“ des polnischen Schlagerkomponisten Jerzy Petersbursk oder der lateinamerikanische Dauerbrenner „Bésame mucho“ von Consuelo Velázquez verleiteten zusätzlich zur Völlerei. Je mehr Gewürze dieses Konzert erhielt, umso größer wurde der Hunger nach mehr.
Das Konzert war auch eine kleine Lehrstunde in Sachen Gewürzkunde. Tenor Stückemann begeisterte nicht allein mit grandiosem Ausdruck in der Stimme, sondern er fungierte auch als Erzähler und traf dabei mitten ins Zentrum der Sinnlichkeit. Neben vielen Fakten wurde auch die erotische Wirkung der gespielten Gewürze hervorgehoben. Wer Muskat im Haus hat, kann Viagra den Gewürzunkundigen überlassen, konnte man den Ausführungen entnehmen.
Cordula Poos stellte zwischen den Musikstücken ihr außergewöhnliches Instrument, die Konzertharfe, vor. Es wurde auch klar, anhand ihres Spielvermögens, warum Engel und Harfe zusammengehören. Ihr Harfensolo „Vers la source dans le bois“, über eine Quelle im Wald, wird vielen Zuhörern noch lange in Erinnerung bleiben. Markus Reich begeisterte mit der urtümlichsten Form des Musizierens. Cajón, Djembe, Waterphone und Waterdrums waren einige der Percussionsinstrumente, denen er auf der Bühne Rhythmen entlockte. Einer der Steeldrums erinnerte eher an einen Wok, wobei wieder die Gewürze ins Spiel kamen. Man gewann den Eindruck, es gibt keinen Gegenstand, den Markus Reich nicht zu einem Musikinstrument umfunktioniert. Selbst ein Blecheimer bekommt unter seinen Schlagstöcken das Privileg Musikinstrument.
Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian hatte sich das Trio für die Zugabe aufgehoben. Mit den Gewürzen von Scarborough Fair, dem Markt von Scarborough, besangen einst Simon & Garfunkel eine wahre Liebe. Die Version von Poos-, Reich- und Stückemann-Genüssen hätte endlos weiter gehen dürfen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste auch der Zuhörer mit den unempfindlichsten Geschmacksnerven, wo der Pfeffer wächst. Gänsehaut und ein Gefühl machte sich breit, endlich handgemachte Musik ohne künstliche Geschmacksverstärker genossen zu haben.
Wer das Konzert versäumt hat, kann auf der Internetseite www.percussionreich.de reinhören sowie Termine entnehmen.
(Bilder: Otterbein)
(Bilder: Krauss)