zurück

 

3. März 2017, Saal im Posthotel Johannesberg, Lauterbach

Presse zu:

Klaus Schwing: Filmvorführung "Ist der Vogelsberg noch zu retten?"

 

Drei Gummipunkte für den Vogelsberg

Satiriker Claus Schwing unterzog den Kreis einem „Vitalitätstest“ - Zeitreise ins Jahr 2117

Von Johannes Kuck

Lauterbach. Darf Satire alles? Na klar! Was denn sonst? Das sagt sich Satiriker Claus Schwing schon seit vielen Jahren. Am Freitagabend gab es in Lauterbach seinen neuen Filmvortrag über den Vogelsberg zu sehen. Gemeinsam mit über 100 Zuschauern im Saal des Posthotels Johannesberg unterzog er den Landkreis einem satirischen Zukunfts-Check. Viele weltbewegende Fragen wurden dabei gestellt: Wie lockt man Investoren aus Nordkorea an die Lauter? Was ist das richtige Outdoor-Outfit für eine „Güllewanderung“ bei Alsfeld? Und was geht eher: Elektronische Fußfessel oder doch lieber Wohnen in Ulrichstein? Am Ende gab es mindestens drei Gummipunkte für den Vogelsberg – und eine Reise mit der Zeitmaschine ins Jahr 2117, zu den archäologischen Ausgrabungen versunkener Schätze zwischen Schotten und Feldatal.

„Guten Abend allerseits, meine Name ist Claus Schwing, ich bin wohnhaft in Ulrichstein“, so stellte sich der Satiriker allen waschechten Basaltköppen und zugezogenen Freemen im Publikum vor – und stellte gleich klar: „Wohnhaft deshalb, weil ich mich vor 22 Jahren entscheiden musste: entweder Elektronische Fußfessel oder Umzug nach Ulrichstein. Ich habe mich für die Sträflingskolonie im Vogelsberg entschieden.“ Bereut hat Claus Schwing diese Entscheidung nicht. Insgeheim gilt auch für ihn die alte Weisheit: Was sich liebt, das neckt sich. Und er neckt eben gerne seine Wahlheimat. Diesmal – wie schon im vergangenen Jahr – auf Einladung des Lauterbacher Kulturvereins und des Karuzsel Gebirgskulturen-Stammtischs.

Mit Fotos aus dem Vogelsberg und neu vertonten Schnipseln aus Kinofilmen und Fernseh-Dokus, gesammelten Stilblüten aus der heimischen Medienlandschaft und einer musikalischen Umrahmung von Pink Floyd bis DJ Ötzi nahm Claus Schwing diesmal die drängendsten Zukunfts-Themen der Region ins Visier. Sein Ziel: „Wir werden heute den Vitalitätstest durchführen: Wie zukunftssicher ist der Vogelsbergkreis? Dabei orientieren wir uns an der Berichterstattung der Heimatzeitungen und versuchen einen Trend herauszuarbeiten, um die Zukunft der Region abzuschätzen.“

In sechs verschiedenen Kategorien zog der Satiriker seinen „Vitalitätstest“ durch - los ging es mit dem Bereich „Wirtschaft und Kulturaustausch“. Mit Blick auf die jüngsten Kontakte zwischen Vogelsberger Institutionen und Partnern aus China wagte er ein kühnes Gedankenexperiment: Der Vulkan und das Reich der Mitte verschmelzen bald zu einer global vernetzten, blühenden Landschaft – und Lauterbachs Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller wird zum „Ehrenstrolch der Pioniere“ ernannt, mit allem Pomp und Gloria und einer bombastischen Massenchoreographie a lá Mao Tse-Tung oder Kim Il Sung. Doch gerade diese kleinen, aber feinen Unterschiede könnten zum Problem werden bei der Kooperation zwischen Vogelsberg und Fernost: „Die Lauterbacher haben China mit Nord-Korea verwechselt und sind statt nach Peking nach Pjöngjang gereist. Die Verhandlungen wurden sodann in Japanisch geführt“, stellte Claus Schwing am Ende seiner Zukunftsprognose ernüchtert fest. Den ersten Test bestand der Vogelsberg trotzdem.

Auch in der Kategorie „Gastronomie im Test“ gab es laut Schwing rosige Aussichten: Für ihren Schlachtruf „Satt ist nicht genug!“ und Delikatessen wie den mannshohen „Wels in Estragon“ oder die „Vogelsberger Schnitzeltorte“ gab es den zweiten Zukunfts-Punkt. Nur beim Tourismus-Check war Claus Schwing weniger optimistisch: „Dem Vogelsberg fehlt die touristische Infrastruktur, die Protagonisten sind allesamt Kreisdenker“, meinte er. Auch reizvolle Alternativ-Angebote wie die „Kräuterwanderung im Gülle-Nationalpark“ oder das „Dunkel-Skifahren“ mit anschließender „Blindverkostung beim Nachtshopping“ überzeugten die Ein-Mann-Jury nicht. In den folgenden Kategorien „Bürgerschaftliches Engagement“, „Gruppenzusammenhalt“ und „Aktives Vereinsleben“ gab es allerdings wieder ordentlich Punkte: Die Quintessenz dieser letzten drei Tests lautete: „Instandgesetzter Kanal, neu gepflasterter Bürgersteig, eine moderne Bushaltestelle, günstiger Bauplatz und ein Winkraftwerk vor der Tür sind die wichtigsten Kriterien für das Überleben eines Vogelsberger Dorfs.“

Wie der Vogelsberg in 100 Jahren aussehen könnte, zeigte Claus Schwing zum Schluss: Mit der berühmten Zeitmaschine von H.G. Wells ging es ins Jahr 2117. Der Vogelsberg und seine Anrainer-Städte werden dann nicht mehr wiederzuerkennen sein: Laubach wird pulsieren wie New York, Nidda wird boomen wie Shanghai – und Schotten wird aussehen wie ein Urwald, in dem Archäologen sensationelle Entdeckungen wie eine „öffentliche Toilettenanlage aus dem frühen 21. Jahrhundert“ zu Tage fördern. Claus Schwings Ergebnis beim Zukunfts-Check fiel am Ende eindeutig aus: „Mit der positiven Aussicht, dass der Vogelsberg in Zukunft ein wunderschöner Naturpark sein wird, in dem weder Güllefahrer noch das Finanzamt Zugang haben, verabschiede ich mich“, meinte der Satiriker. Und das Publikum klatschte „Auf Wiedersehen!“.

 

Fotos: Kuck